Rico 28.08.23

Während der 36 Stunden Fährüberfahrt nach Helsinki las ich mir die Starterliste der 70.3 IRONMAN Weltmeisterschaft durch. Das Rennen war schon krass stark besetzt und ich träumte bei den zwei Übernachtungen auf der Fähre von einer Top 10 Platzierung.

Im finnischen Lahti hatten die Einwohner teilweise ihre privaten Wohnhäuser zur Verfügung gestellt, weil für die zahlreichen Teilnehmer und Besucher des IRONMAN-Rennens keine ausreichenden Unterkünfte in der Nähe zur Verfügung standen. Die Kú Crew (Manager, Fotograf, Mechaniker, Entwickler) hatte ein Einfamilienhaus 3 km vom Start des Triathlons gebucht und ich konnte dort mit meiner Freundin unterkommen. Meine Eltern übernachteten auf dem Grundstück im Wohnmobil, mit dem wir angereist sind und das uns mein Unterstützer Kristian Kubus zur Verfügung gestellt hatte – vielen Dank!Bereits am Donnerstag war die Einweisung zum Rennen und wir Profis mussten uns akkreditieren. Auf den beiden Listen zur Einschreibung fand ich keine Unterschrift hinter Gustav Iden, Pierre le Corre und Jason West. Stiegen damit meine Chancen? Kristian Blummenfelt hatte unterzeichnet und ich sah ihn bereits bei unserer Ankunft trainieren.Nachdem ich mich im Höhentrainingslager zur Vorbereitung auf die WM am Ende doch schon recht müde gefühlt habe, ging es in den letzten Tagen vor dem Rennen immer besser.

Die letzten Vorbereitungen – © Kú – Cycle

Die letzte Vorbereitungseinheit am Donnerstag auf der welligen Wettkampfstrecke lief gut, meine Werte waren besser als vor meinem Sieg beim 70.3 Triathlon in Kraichgau, bei dem ich Patrick Lange hinter mir lassen konnte. Mit dem Kú-Team Fotograf machten wir ein paar Fotos und der Kú Mechaniker bereitete mein Rad perfekt vor. Dafür auch nochmal vielen Dank an mein Team!Am Freitag lief ich die Laufstrecke ab. Die war schon knackig. Gleich am Anfang ging es über eine steile Rampe im Zielbereich hoch und runter – diese musste auf unserer Halbmarathonstrecke 3x bewältigt werden. Wenige Meter später ging es steil auf die Laufbahn ins Stadion runter und nach 400m wieder hoch. Dann folgte ein langer 3km Anstieg und nachfolgend kamen noch einige Berge, immer mit steilen Bergab-Passagen – hoffentlich würde ich da im Rennen keine Krämpfe bekommen!Am Samstag feuerte ich beim Frauen-Rennen an und meine Aufregung stieg natürlich. Am Nachmittag checkte ich meine Rennmaschine neben vielen namhaften erfolgreichen Triathleten ein und ich freute mich, dass es morgen endlich los geht. Mein bisher wichtigstes Rennen in meiner noch jungen Karriere.

4:30 Uhr klingelte am Sontag mein Wecker und ich stärkte mich mit einem Müsli. Alex fuhr mich zur ersten Wechselzone, ich brachte meine Flaschen am Rad an, kontrollierte nochmal alles und war bereit meine bestmögliche Leistung zu zeigen. Kristian Blummenfelt wurde als erster aufgerufen und wählte einen mittigen Startplatz. Ich hatte Startnummer 26 und konnte mich neben ihn stellen – ob er mich mit seinen kraftvollen Armzügen behindern würde?
Auf meiner anderen Schulterseite stellte sich Justus Nieschlag auf – super, er ist ein sehr starker Schwimmer.

Schwimmaustieg – © Finisher Pix

Dann 7:30 Uhr bei kalten Außentemperaturen und 19 Grad Wassertemperatur der Startschuss. Wir sprangen alle – nebeneinander stehend – mit unseren Neoprenanzügen in den See. Ich hatte eine gute Tauchphase und konnte mich gleich vor Kristian Blummenfelt setzen und mich gut an der 4. Position beim Schwimmen behaupten und als Zweiter – hinter Justus Nieschlag – aufs Rad springen, kam aber nicht gleich in meine Schuhe, da ich wegen der kalten Temperaturen und angesagtem Regen Neoprenkappen wählte. Mit Mathis und Justus konnten wir uns zunächst etwas nach vorne absetzen, es schlossen dann noch 3 Athleten auf.

Beginn des Radabschnittes – © Finisher Prix

Nach ca. 30km kam Frederik Funk von hinten angeflogen und seine Attacken taten schon mächtig weh. Natürlich hielt ich immer den Mindestabstand von 12m ein und wusste, dass wir mit 46km/h Durchschnittsgeschwindigkeit bei den besonders im ersten Teil regennassen Straßen sehr schnell unterwegs waren.
Ca. 5 km vor dem Ziel lies ich in Anbetracht des kommenden Laufes Frederik und Mathis nach vorne wegziehen und kam mit ca. 25 Sekunden Rückstand in die zweite Wechselzone.

Lauf im Stadion vor den berühmten Skisprungschanzen – © Kú – Cycle

Mit erstaunlich guten Beinen ging ich als Dritter auf die Laufstrecke und konnte sogar nach 3km die Führung übernehmen und habe diese bis ins Ziel nicht mehr abgegeben! Auf der zweiten Runde hatte ich sogar 80 Sekunden Vorsprung und konnte damit – von den Zuschauern getragen – die letzten 2km bis ins Ziel genießen!

Das Gefühl ist unglaublich! Ich durfte mit meinen 22 Jahren das 70.3 IRONMAN-Zielbanner bei der Weltmeisterschaft in die Höhe reißen!

Jubelschrei im Ziel – © James Mitchell

Meine Eltern, Freundin, das Kú Team – alle waren im Zielbereich und ich konnte sie mit Tränen in den Augen umarmen und damit Danke für die jahrelange Unterstützung sagen.

Freude mit dem Team – © Kú – Cycle

Mit Frederik Funk auf Platz 2 und Jan Stratmann hatten wir erstmals in der 70.3-Geschichte ein komplettes deutsches Podium bei der Weltmeisterschaft.

Bierdusche auf dem Podest mit
Frederick Funk (links) und Jan Stratmann (rechts)
© Finisher Pix

Nach meiner zweiten Dopingkontrolle innerhalb von 4 Tagen durfte ich mit meinem Team die Siegerehrung auch mit den vielen Altersklassenathleten genießen. Als Sieger bei der WM  „durfte“ die Frauensiegerin Taylor Knibb und ich eine Rede halten. Ich gab auf Englisch mein Bestes und bedankte mich auch bei den vielen zahlreichen Helfern für das super Event.

Gleich nach meinem unerwarteten WM-Sieg stand mein Handy nicht mehr still. Jetzt musste ich den Medienrummel zusätzlich irgendwie bewältigen – so viel Zeit wie die Woche nach dem Sieg habe ich noch nie am Handy verbracht.

Mit dem Wohnmobil reiste ich mit meinen Eltern durch Schweden und Dänemark zurück nach Deutschland. Wir schauten uns die beiden Hauptstädte Stockholm und Kopenhagen an, die ich neben den täglichen Medienanfragen trotzdem genießen konnte.

6 Tage nach meinem WM-Sieg will ich noch mal in der 1. Triathlon Bundesliga im letzten Rennen der Saison 2023 angreifen und mit meinem Team Berlin den dritten Platz verteidigen und mir den Gesamtsieg der Einzelwertung holen.